Rechnet man volatile Elemente wie die Energiepreise heraus, liegt die Inflation derzeit immerhin bei einem Prozent. Man könnte auch den Eindruck gewinnen, als ginge es bei der Inflationsdebatte in erster Linie um eine Entschuldungsmaßnahme für die Staaten der Euro-Zone, nachdem das Finanzkrisenmanagement von Anfang an eine Bekämpfung von Schulden mit einer Geldflut war, die allerdings nicht die erhofften Erfolge zeitigte. Seit März pumpt zusätzlich zur Niedrigzinspolitik die EZB mit ihren Anleihen-Käufen Woche für Woche Milliarden in das Bankensystem, ohne daß es jedoch in ausreichendem Maße zu den wirtschaftlichen Erholungen innerhalb der Euro-Zone gekommen wäre, die wiederum Coeure als Voraussetzung zur Erreichung des Inflationsziels nennt. Das bisherige Versagen der EZB-Geldpolitik sieht Benoit Coeure vor allem angebotsseitig begründet, weil es angeblich an realisierbaren rentablen Projekten mangle. Doch lässt man dies gelten, sagt er doch selbst nicht anderes, als dass eine weitere Lockerung bzw. Ausweitung der Geldpolitik ebenso wirkungslos verpuffen und lediglich die Gefahr unliebsamer Nebenwirkungen erhöht würde. Immerhin räumte Coeure ein, der EZB sei sehr wohl bewusst, dass die niedrigen Zinsen auch negative Auswirkungen, insbesondere auf die Ersparnisse hätten.
Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank über eine weitere Öffnung der Geldschleusen ist ihrem Direktoriumsmitglied Benoit Coeure zufolge noch offen und soll unter Berücksichtigung aller vorliegender Informationen im Dezember erfolgen. Von der ebenfalls im Dezember anstehenden Entscheidung der US-Notenbank Federal Reserve über ihre erste Zinserhöhung seit fast zehn Jahren will man sich nicht abhängig machen, entscheidender seien Einflussfaktoren wie die Rohstoffpreise. EZB-Chef Mario Draghi hatte angekündigt, notfalls zur Ankurbelung von Inflation und Wirtschaftswachstum die Geldschleusen noch weiter als bislang zu öffnen.